Astrid Hamm geht in den Ruhestand
28 Jahre gelebte Begegnung – „Hinhören und alle mitnehmen“
Über 1000 Menschen sind mit ihr gepilgert, hunderte Ehrenamtliche hat die ehemalige Rheingauer Weinkönigin für Besuche bei älteren und einsamen Menschen geschult und begleitet. Getanzt hat sie mit Tausenden von Menschen, im Kreis, im Sitzen, auf der Landesgartenschau und per Webcam in den Wohnzimmern, als Corona wütete. Für diese unzähligen lebendigen Begegnungen sind ihr viele Menschen sehr dankbar.
„Mehr Berufung als Beruf“
Dankbar ist auch Astrid Hamm: „Die Selbstwirksamkeit war sehr hoch“, sagt sie glücklich. Sie sei sehr oft auf positive Resonanz gestoßen, das habe sie motiviert und bestärkt und „das ist sehr erfüllend.“ Für die Gestaltungsfreiheit, die man ihr zugestanden hat, ist sie ebenfalls sehr dankbar. „Das weiß ich zu schätzen. Hier im Dekanat konnte ich meine Gaben einsetzen und mich entfalten“, sagt sie strahlend und gleichzeitig wehmütig. Ihre Tätigkeit war „mehr Berufung als Beruf“, betont sie.
Traumberuf nach viele Stationen gefunden
Bei einem ihrer ersten Tanzseminare im Jahr 1989 traf sie auf eine Gemeindepädagogin. Einen Beruf, den sie bis dahin nicht kannte, aber sofort wusste: „Das ist es! Ich möchte künftig bei der Kirche mit Erwachsenen arbeiten! Astrid Hamm faszinierte die Kombination aus Theologie, Psychologie und Pädagogik.“ Zuvor hatte sie bereits in vielen Berufen Erfahrung gesammelt: Als Winzerin, Postbotin, staatlich geprüfte Musikpädagogin und gelernte Auslandskorrespondentin. Im Studium der Gemeindepädagogik wählte sie den Schwerpunkt Seelsorge und Beratung, etwas, was ihr zeitlebens im Berufsleben sehr dienlich war.
1995 trat sie ihre erste Stelle in der Kirchengemeinde Geisenheim an, gleich in einem „Teampfarramt“. Damals waren der ehemalige Rheinhessische Propst Klaus-Volker Schütz und Elisabeth Paulmann als Pfarrpersonen in der Rheingaugemeinde und lebten den Teamgedanken. Hamm stieg sowohl in die Konfirmanden- als auch in die Besuchsdienstarbeit ein, entwickelte die Tanzveranstaltung ‚Gemeinde in Bewegung‘ und organisierte gleichzeitig die ersten Studienreisen nach Israel. „Aus dieser Zeit gibt es Menschen, die noch heute bei meinen Fahrten, etwa zum Kirchentag, mitfahren“, erinnert sie sich.
2003 kam die erste große kirchliche Strukturreform und Hamm wechselte ins Dekanat Bad Schwalbach und hatte ihr Büro künftig in Taunusstein im Haus der Kirche. Dort war sie auch an die Kirchengemeinde Bleidenstadt mit dem Arbeits-Schwerpunkt „Alter Bahnhof“ angebunden. Es entwickelte sich die Arbeit mit ehrenamtlich Mitarbeitenden in den Besuchsdienstkreisen im ganzen Dekanat. Die gebürtige Rheingauerin bot die ersten Dekanatsbesuchsdiensttage an, die seit dem jährlich stattfinden.
2016 fusionierten die beiden Dekanate Idstein und Bad Schwalbach zum Dekanat Rheingau-Taunus. Hamm verlagerte einen Schwerpunkt ihrer Arbeit nach Idstein und entwickelte dort wieder neue Formate.
„Hinhören, was die Menschen brauchen“
Für Astrid Hamm war es stets essentiell „hinzuhören, was die Menschen brauchen.“ Ihre Angebote richtete sie immer nach dem Bedarf aus. Die Menschen liegen ihr am Herzen, das spürt man bei ihr sofort. Ein weiteres Markenzeichen von Astrid Hamm war zudem, dass sie immer versucht hat, jedem und jeder eine Teilnahme zu ermöglichen und sie mitzunehmen. Dafür hat sie Angebote auch verändert und immer wieder angepasst.
Von ihren zahlreichen Angeboten, wie etwa den Fahrten zu den Kirchentagen, weiß Hamm, dass viele Menschen teilnehmen, die der Kirche gegenüber durchaus kritisch eingestellt sind. Und stellt fest: „Das tun sie, weil viele Menschen auf der Suche nach Quellen der Spiritualität sind und Angebote suchen, in denen sie „sinnliche Erfahrbarkeit von Glauben mit anderen erleben können.“ Diese suchten die Menschen aber oft außerhalb von Kirchengebäuden. Und dafür nähmen sie auch weite Wege auf sich, ist ihre Erfahrung.
Menschen aus der Einsamkeit geholt
So erzählt sie von einer über 80-jährigen Frau, die den weiten Weg aus dem Vordertaunus auf sich nimmt, um monatlich an der Veranstaltung „Ökumene bewegt – Tänze im Kreis aus aller Welt“ in Idstein teilnehmen zu können. Auf Hamms Frage, warum sie das tue, antwortete sie ihr: „Aus Dankbarkeit, weil Du mich in der Corona-Pandemie aus der Einsamkeit geholt hast.“ Ein Sinnbild für die Haltung der 65-jährigen.
Astrid Hamm spürt man den kommenden Ruhestand nicht an. Sie ist immer noch voller Energie und Freude bei der Sache. „Ich glaube, was ich tue und tue, was ich glaube“, ist ihr Erfolgsrezept. Im Ruhestand möchte Hamm sich gerne ein E-Bike zulegen und in ihrer Wahlheimat Wiesbaden-Biebrich und in der Region unterwegs sein. „Auch Tanzseminare wird es weiter geben“, sagt sie fröhlich. Einen Busführerschein zu machen und nebenher als Busfahrerin zu arbeiten, darauf hätte sie durchaus Lust. „Dann fahre ich an zwei oder drei Tagen die Linie 14 ab Biebrich und habe weiterhin mit Menschen zu tun“, sagt sie verschmitzt.
Astrid Hamm wird am 17. September um 10:30 Uhr von Dekan Klaus Schmid und zahlreichen Weggefährten in der Unionskirche in Idstein in den Ruhestand verabschiedet. Die Zufahrten zu den Parkhäusern sind trotz des Autofreien Sonntags frei.