Ruhestand
Die "Pfarrerin mit dem großen Herzen" geht in den Ruhestand
„Diese Pfarrerin passt in kein Schema.“ Gabriele Schmidt, Alt-Präses des Dekanats Wiesbaden und Vorsitzende des Kirchenvorstands Auringen, weiß wovon sie spricht: 14 Jahre hat sie mit Pfarrerin Bea Ackermann als eine Art kongeniales Duo in Auringen zusammengearbeitet.
Auch wenn es anfangs Häme gab, ob das denn mit den beiden so unterschiedlichen Frauen überhaupt passen würde – Schmidt und Ackermann haben allen Kritikern zum Trotz das Gegenteil bewiesen. „Die beiden energiegeladenen Frauen haben sich perfekt ergänzt und sich gegenseitig zur Entfaltung gebracht“, so Propst Oliver Albrecht – und das Leben in der Kirchengemeinde? Das blühte.
Jetzt geht Pfarrerin Bea Ackermann in den Ruhestand und schaut mit viel Wehmut und Dankbarkeit auf das zurück, was sie aufgebaut hat: ein riesiges Kindergottesdienst-Team, Familien-Freizeiten, Andachten in der Autobahnkirche, Kinder-Kreuzweg an Ostern, regelmäßige Seniorenbriefe, Weihergottesdienste, Gottesdienste mit persönlichem Reisesegen, Projektchor, Sanierung des Gemeindehauses, Zusammenarbeit mit den Gemeinden Naurod und Medenbach, 300-Jahr-Feier der Auringer Kirche und vieles mehr.
Das Ruhestandsalter hat Bea Ackermann mit ihren 69 Jahren längst überschritten, was sie nicht davon abgehalten hat, vor vier Jahren noch aufzustocken und die vakante halbe Stelle in der Gemeinde Medenbach mit zu übernehmen, und beide Gemeinden zusammenzuführen.
Fragt man Ackermann, woher sie die Energie für all das nimmt, schaut sie gen Himmel: „Es klingt so abgegriffen, aber die größte Kraftquelle ist mein Glaube. Ich lasse mich in meinen Gottesdiensten immer wieder aufs Neue ermutigen von der Kraft Gottes. Glaube ist ja kein Fürwahr halten irgendwelcher Glaubenssätze, Glaube ist eine lebenslange Beziehung zu Gott.“
In ihrem Abschiedsgottesdienst spricht sie vom „Dennoch“ der christlichen Hoffnung, die man der Resignation und Gleichgültigkeit entgegensetzen muss. Trotz aller Krisen, so Ackermann, habe sie immer ein Grundvertrauen behalten, dass sie von Gott geliebt und begleitet ist.
Und immer wieder ist es auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, bei der Bea Ackermann auftankt, von der sie sich gestärkt fühlt. Seit ihrer frühen Jugend gestaltet sie Kindergottesdienste. „Mit Kindern arbeiten, das erfüllt mich. Kinder strahlen so viel Urvertrauen und Zuversicht aus.“ So ist es selbstverständlich, dass sie beim Dekanatskinderkirchentag mitmachte, beim Tauffest und jährlich ihre Konfis auf das zentrale Konfi-Camp begleitet hat.
Dass sie mit Kindern arbeiten will, wusste Bea Ackermann schon ganz früh in ihrem Leben. Sie wird 1953 in Saarbrücken geboren, katholisch getauft und sozialisiert. Nach dem Abitur wird sie deswegen zunächst Grundschullehrerin. Sie heiratet früh und bekommt ihre ersten beiden Söhne.
Sie engagiert sich vor allem in der katholischen Kinder- und Familienarbeit, macht diese Arbeit viel lieber als die in der Schule. „Die Schule war mit ihren starren Strukturen für mich wie ein Korsett“, sagt Ackermann rückblickend. Doch zur Katholischen Kirche zu wechseln, um da beruflich Fuß zu fassen, ist für sie als mittlerweile geschiedene Frau undenkbar.
Sie konvertiert, heiratet ein weiteres Mal und bekommt ihr drittes Kind und beginnt endlich, evangelische Theologie zu studieren - ein Kraftakt mit drei Kindern, den sie sich heute kaum mehr vorstellen kann: „Wie viele Nächte habe ich damals durchgearbeitet, um griechisch und hebräisch zu lernen.“ Dennoch bereut sie nichts: „Pfarrerin zu sein, ist meine Berufung“, sagt sie.
Nach dem Studium folgen Stationen als Pfarrerin in Bingen-Büdesheim, wo sie in der dortigen Christuskirche 1998 ordiniert wird, und im rheinhessischen Pfaffen-Schwabenheim, dazwischen nimmt sie Elternzeit, ihr vierter Sohn wird geboren, und sie beginnt, sich bei der Zehn-Prozent-Aktion zu engagieren, eines der größten Spendenprojekte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Bis heute und über ihren Ruhestand hinaus wird sie Vorsitzende im Aktionskreis bleiben.
Im Jahr 2009 wechselt sie, mit vier Kindern und alleinerziehend, in die Kirchengemeinde Auringen. Sie sagt rückblickend, dass sie hier mit offenen Armen empfangen worden sei: „Es lagen schwierige Jahre hinter mir, mit Selbstzweifeln und vielen Enttäuschungen und Ängsten. Ich habe in dieser Gemeinde wirklich ein Zuhause gefunden. Ich war angekommen.“
Die Auringer und Medenbacher werden ihre Pfarrerin vermissen – im Abschiedsgottesdienst gibt es minutenlang Standing-Ovation, hunderte Menschen sind gekommen, viele müssen draußen sitzen und den Gottesdienst auf einer Leinwand verfolgen, weil die Auringer Kirche viel zu klein ist. Dank und Grußworte sprechen ihr Propst und Dekanin zu, der Auringenr Ortsvorsteher, die katholischen Geschwister, die Kirchenvorstände aus Auringen und Mendenbach und viele mehr.
Propst Oliver Albrecht: „Sie haben etwas aufgebaut und das kann gut weitergehen. Segen wird Sie auch in die neue Zeit begleiten.“ Er wünscht der scheidenden Pfarrerin ganz besondere Sommermonate, denn klar ist: „In diesem Sommer – jetzt ganz frisch im Ruhestand – liegt eine ganz besondere Freiheit", so Albrecht.
Mit ihrem Lebenspartner wird Bea Ackermann jetzt in einen anderen Wiesbadener Vorort ziehen. Sie freut sich auf mehr Zeit, vor allem für ihre Familie und ihre sechs Enkelkinder. So ganz lassen kann sie das Arbeiten aber noch nicht: Über von ihr gestaltetete Gottesdienste, vor allem für Kinder - darüber wird sich demnächst eine anderen Wiesbadener Kirchengemeinde freuen können.