Pfarrer Hans Hamrich
„Ich stand nur einmal auf der Kanzel“ - Abschied nach 20 Jahren Untertaunus
Er arbeitete dort unter anderem 10 Jahre als Lehrer und war stellvertretender Schulleiter. Als Rumäniendeutsche standen sie stets unter der Beobachtung des Geheimdienstes und galten als „potentielle Verräter“. Dann stieg er von einem Tag zum anderen aus seinem Lehreralltag aus und begann 1988 evangelische Theologie in Hermannstadt, Sibiu zu studieren. „Das Theologische Institut der Evangelischen Kirche Rumäniens war eine Insel von deutscher Kultur und evangelischer Tradition inmitten des vom Kommunismus geprägten Landes “, sagte er rückblickend. Die Kirche galt als ausgemachter Gegner des Kommunismus.
Pfarrer wollte er eigentlich nie werden, sagt er schmunzelnd. Er arbeitete während seines Studiums, nach dem Fall des Eiserenen Vorhangs für den Lutherischen Weltbund und organisierte Sprachkurse für Studenten aus Polen, aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aus Serbien Rumänien und anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, die dann anschließend zum Studium in Deutschland zugelassen wurden. Während des Studiums heiratete er Birgit, seine Studienkollegin und Sarah, ihre Tochter wurde geboren.
1996, nach dem Vikariat und seiner Ordination berief ihn der Bischof seiner Landeskirche zum Stadtpfarrer in Bistritz, einer Stadt in Nordsiebenbürgen. „Die evangelische Kirche im Zentrum der Stadt ist eine der größten, frühgotischen Kirchen Osteuropas und hat Sitzplätze für über 2.000 Menschen“.
Aus den Großstädten in den Untertaunus
Die Sorge, dass die „Tür zum Westen“ sich wieder schließen könnte, trug er nach dem Fall des Eisernen Vorhangs lange mit sich herum. Rumänien gehörte damals noch nicht der EU an. Und so entschied er sich 2000 die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen Nach einer Zeit im Auffanglanger Rastatt, in der er „von oben bis unten durchleuchtet wurde“, machte er in Erlangen ein Ausbildungsjahr bei einem Pfarrer in einer evangelischen Kirchengemeinde.
Aufgrund der anschließend bestandenen Prüfungen bei der EKD in Hannover durfte er nun als Pfarrer in Deutschland arbeiten und kam so über Umwege in die EKHN und in den Untertaunus. „Ich konnte mir damals nicht vorstellen, hier länger als drei Jahre zu bleiben“, sagt Hamrich, der bislang vor allem in der Stadt gelebt hatte. Jetzt sind es 20 Jahre geworden, die er – gemeinsam mit seiner Tochter Sarah und seiner Frau Birgit, die als erste Pfarrerin in Rumänien ordiniert wurde – im Untertaunus lebte. „Diese Jahre hier sind also das Resultat einer ganz anderen Lebenszeit. Ich schaue rückblickend dabei durch das Prisma meines gesamten Lebens“, sagte er zufrieden. Loslassen, das habe er gelernt, wie seine Biografie und auch die seiner Familie zeigt.
Hans Hamrich wird in der aktuellen Ausgabe des Gemeindebriefes als bescheidener Mensch beschrieben. Auf Fotos findet man ihn selten.
„Meine Rolle als Pfarrer sehe ich in der Kirchengemeinde. Ich bin gemeinsam mit den Menschen am Suchen.“ So habe er die Predigten stets auch für sich geschrieben, ebenso habe er sich in den Gottesdiensten als Teil der Gemeinschaft gefühlt, die sich zusammen auf dem Weg des Glaubens befindet. Aus diesem Grund sei er auch nur ein einziges Mal auf die hohe Kanzel gestiegen, erklärt Hans Hamrich. Und das bei seiner Einführung in Bechtheim, vor 20 Jahren. „Ich bin ein Teil der Gemeinde“, deshalb stehe ich auch mitten unter ihnen. Diese Authentizität hat die Gemeinde auch stets gespürt.
Hans Hamrich versteht die Evangelische Kirche als „Stabilisator in den Krisen“. Ihren Wert erkennt man erst in schwierigen Zeiten“, weiß er. Das habe er beispielsweise während der Corona-Pandemie erfahren, als Menschen erleben konnten, dass Kirche verlässlich für sie da ist, nachdem so vieles wegbrach. Sei es bei digitalen Gottesdienstformaten oder auch, wenn getauft oder beerdigt werden musste, die Leute fanden ein funktionierendes Büro und einen Pfarrer vor, den sie ansprechen konnten. Und die Kirchen waren stets offen für private Gebete und Gespräche mit Gott.
Menschen brauchen Kirche – aber nicht immer
„Die Menschen brauchen die Kirche in bestimmten Situationen, nicht immer und nicht durchgehend im Leben. Aber sie sei ein Fels in der Brandung der Welt. Deshalb habe er sich auch nie beklagt, wenn mal nur wenige Menschen in den Gottesdienst gekommen sind. Denn es gab auch immer wieder die anderen Zeiten, wo die Kirchen in Bechtheim, Beuerbach oder Ketternschwalbach brechend voll waren.
Für den Pfarrer Hans Hamrich ist der Gottesdienst das zentrale Element. „Alles steht in Verbindung zu diesem Schwerpunkt“ sagt er überzeugt. Als er 2002 in den Untertaunus kam, habe er erst einmal, gemeinsam mit den Kirchenvorständen, eine erweiterte Liturgie, eingeführt. Neu waren auch Vorstellungsgottesdienste der Konfirmanden sowie die „Auferstehungsgottesdienste“ am frühen Morgen am Ostersonntag. Mit Lagerfeuer um 6 Uhr vor der Kirche, einem erhebenden Auferstehungsgottesdienst in der Kirche und anschließendem Frühstück in der Pfarrscheune. An Pfingsten führte er nach dem Pfingstgottesdienst das Gemeindefest ein, das immer mehr ein Angelpunkt für Gruppen aus den Gemeinden wurde. Mit Kindergottesdienst, viel Musik, Essen und vor allem Gemeinschaft. Die Gastfreundschaft der Gemeinden ist über die Grenzen hinaus bekannt.
Das Gerücht von Gott soll nicht verlöschen
Sein wesentliches Anliegen war, „dass das Gerücht von Gott in unseren Gemeinden nicht verlöscht.“ In der aktuellen Ausgabe des Gemeindebriefes schreibt Hans Hamrich: „Ich habe Ihnen in Predigten und Ansprachen zu den verschiedensten Anlässen angeboten, sich auf den Schatz unseres christlichen Glaubens einzulassen und auszuprobieren, wie Sie damit Ihren Lebensdurst stillen können, habe versucht die Ahnung und Hoffnung weiterzugeben, dass unser Leben und seine Geschichte trotz aller Verwirrung und des Chaos auf etwas Höheres hinweist. Ich bin der Meinung, dass diese Texte, Lieder, Gebete und Gedichte uns die Augen für die Gegenwart öffnen können. Und dass die gottesdienstliche Gemeinschaft uns Lebensmut verleiht und uns aus dem Gefängnis unserer Angst befreit.“
Der Kontakt zu den Menschen, die vielen Gespräche bei Taufen, Trauungen, Beerdigungen sind ihm sehr wichtig. „Ich blicke zurück auf Höhen und Tiefen wie auf Gezeiten des Meeres“, so Hamrich.
Vieles ausprobiert – große Freiheit
„Vieles was ich begonnen habe, hat funktioniert“, sagt Hamrich dankbar. Er habe auch eine große Freiheit gehabt, in dem, was er tun wollte, und hat vieles ausprobiert. Später kamen der Erntedankgottesdienst auf einem Bauernhof zu den Angeboten dazu, Tauferinnerungsgottesdienste oder auch das Dorffest um die Pfarrscheune und die Kirche dazu. „Die Menschen hier lassen sich gerne einbinden“, sagt er dankbar. Der neu eingeführte Spätgottesdienst an Heiligabend wurde zu einem Treffpunkt für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sowie die Menschen die alleine waren, mit anschließenden Glühweintrinken bis 2 Uhr morgens. 2007 kamen die Actionsamstage und Actioncamps für Teenies unter der Leitung der Gemeindepädagogin Waltraud Pollex hinzu. „Wir haben dann im Team mit den Pfarrern aus den Nachbargemeinden zusammengearbeitet“, erinnert sich Hamrich.
Der Gemeindebrief „Kreuz und Quer“ feiert sein 20 jähriges Bestehen. Auch den hat Hans Hamrich neu eingeführt. Redakteurin Wilma Löber ist bis heute noch im Team dabei. Viele Jahre hat er Religionsunterricht an der Grundschule gehalten, der ist wichtig für die Gemeindearbeit“, weiß er aus Erfahrung.
Nun geht er in Pension und zieht nach Büdingen, wo Birgit Hamrich als Dekanin vom Dekanat Büdinger Land gewählt worden ist. Was er in seiner neuen Zeit machen wird, da möchte er sich noch nicht festlegen. Ideen hat er genug. Im Gemeindebrief zitiert er dazu Bob Dylan: „Ein Mann ist erfolgreich, wenn er morgens aufsteht, abends ins Bett geht und dazwischen macht, was er möchte.“