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Demokratie gestalten

Rechtspopulismus entgegenwirken: Realistische Lösungen entwickeln statt Sündenböcke ausmachen

Eine Frau streckt die Hand aus und geht auf eine imaginäre Person zu, dahinter freundlich blickende Menschen

Offen dafür, Ungerechtigkeiten zu benennen und gemeinsam gute Lösungen zu entwickeln

In den Niederlanden ist eine rechtsgerichtete Regierung im Amt. Wie lässt sich der Welle des Rechtspopulismus und des Rechtsextremismus hier vor Ort entgegenwirken? Der Demokratie-Referent der EKHN identifiziert Ansätze zur Stärkung der Demokratie.

veröffentlicht 20.05.2024

von Online-Redaktion der EKHN

Weshalb können rechtspopulistische oder rechtsextreme Äußerungen viele Menschen überhaupt erreichen? Einen von mehreren Gründen nennt Matthias Blöser, Referent für „Demokratie stärken“ im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN: „Oft docken diese Aussagen an einem Gefühl der Ungerechtigkeit an.“ In einem Interview mit pax christ im Mai 2024 erklärt er, dass Rechtspopulisten die Behauptungen strategisch gut wählen. Sie  funktionierten, weil sie an der Lebensrealität oder gefühlten Lebensrealität der Menschen anknüpften.

 

Rechtspopulistische Äußerungen verschleiern tatsächliche Ursachen von Problemen

Als klassisches Beispiel nennt Blöser die rechtspopulistische Behauptung, dass die Flüchtlinge die Wohnungen wegnähmen. Tatsächlich sei der Wohnungsmangel real und durch Zuzug würden Verteilungskonflikte, die es schon vorher gab, verschärft. Demokratie-Referent Blöser stellt klar: „Diese Aussage verzerrt massiv die Realität und verschleiert die wirklichen Ursachen des Wohnungsmangels wie Fachkräftemangel, hohe Energiepreise, massiv gestiegene Baukosten, lange Genehmigungswege, die deutlich angestiegene Quadratmeterzahl an Wohnraum pro Person und vor allem eine verfehlte Wohnungspolitik in den letzten Jahrzehnten, die zum weitgehenden Erliegen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus geführt hat.“

 

Sündenböcke statt Lösungen?

Matthias Blöser erklärt, dass es bei solchen Aussagen nicht um Lösungen für ein Problem gehe, sondern darum, die Schwächsten zu Sündenböcken zu machen. Eine lösungsorientierte Herangehensweise laut Blöser wäre beispielsweise, neuen Wohnraum zu schaffen und umzuverteilen, auf dem Land eine bessere Infrastruktur schaffen, damit nicht alle in die Großstädte ziehen usw.

 

Aktiv werden: Ungerechtigkeiten aufgreifen und Menschen verbinden

Da Rechtspopulisten häufig ein Gefühl der Ungerechtigkeit aufgreifen, sieht Matthias hier eine Option, aktiv zu werden: „Es ist Aufgabe der Kirche, der Christenmenschen, zu überlegen, wie man diese tatsächlichen Ungerechtigkeiten bearbeitet.“ Heute seien Kirchengemeinden und Nachbarschaftsräume die Orte, wo Menschen zusammentreffen, die etwas gemeinsam haben, die aber aus unterschiedlichen Milieus und „Blasen“ kommen. Deshalb ermutigt Matthias Blöser: „Wir sollten die Chancen nutzen, auch Menschen aus ganz anderen Blasen dort zu begegnen, auch um produktiv zu streiten. Denn es gibt wenige andere Orte, wo man das so einfach organisieren kann wie im kirchlichen Kontext.“

 

Auf den ersten Blick befremdlich wirkende Meinungen empathisch nachvollziehen

Er bestärkt die Kirchen, sich auch auf „Widersprüchlichkeiten einlassen und versuchen, sie einzuordnen und Orientierungen zu geben, wo Menschen diese suchen.“ Auch hier führt er ein Beispiel auf, um zu verdeutlichen. Es bezieht sich auf junge Menschen, die sagen: „Ich will eine ganz traditionelle Familie haben. Und warum bin ich weniger wert, wenn ich Hausfrau bin?“ Matthias Blöser gesteht, dass er selbst lange mit solchen Aussagen wenig anfangen konnte, da er es als Möglichkeit der Freiheit sah, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Doch seitdem er selbst Vater sei, habe er erfahren, dass sich beides nicht wirklich gut miteinander vereinbaren lasse. Deshalb legt Matthias Blöser den Leser:innen ans Herz: „Man muss aufpassen, Menschen nicht abzuwerten, nur weil sie nicht genauso leben und denken, wie man selbst, sonst überlässt man sie den rechten Demagog:innen. Doch gleichzeitig muss man von ihnen einfordern, dass sie sich nicht menschenverachtend verhalten.“ Hier zitiert er Trude Simonsohn, die die Shoa überlebt hat: „Sagt zu jedem Unrecht sofort Nein.“  

 

Unterschied zwischen konservativ und völkisch-nationalistisch

Zudem beobachtet Matthias Blöser, dass der völkische Nationalismus versucht, das Konservative für sich einzunehmen. Er stellt klar: „Im Kern geht es um einen völkisch-nationalistischen, ethnisch reinen Staat. Es würde den Kirchen gut anstehen zu sagen: Das ist nicht konservativ!“ Stattdessen ist sich Blöser mit pax christi einig darüber, dass konservativ eine Einstellung ist, die alte, grundlegende christliche Werte und Traditionen erhalten möchte. Dazu gehörten Nächstenliebe, Bewahrung der Schöpfung, Frieden und die Nachfolge Jesu. Allerdings bestehe die Gefahr, dass diese Werte völkisch und, nationalistisch umgedeutet und vereinnahmt werden. Deshalb ruft Matthias Blöser dazu auf, einzustehen: „Gegen völkischen Nationalismus, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, gegen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus. Es ist enorm wichtig, dass Kirchen und Christ:innen sich da positionieren, weil sie einen Unterschied machen.“ Gerade bei Aktionen in kleineren Städten waren die Kirchengemeinden ein entscheidendes Sprachrohr bei den Aktionen gegen Rechtsaußen. Hier habe ihre Beteiligung oder Nichtbeteiligung einen großen Unterschied gemacht.


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